mahashivratri in junagadh

6/3/2008 Gujarat
Zu Leermond in der 14ten Nacht des Monats Phalgun des Hindukalenders

Unser Zug war ueberfuellt uberall standen menschen herum in der second class sleeper des Gujarati mail. Um 3.3o Uhr sollten wir unser Ziel erreichen, Junagadh, ein kleine Stadt (170'000 Einwohner) am Fusse des Girnar-Gebirges im Bundestaat Gujarat. Die Stadt war bis 1947 Hauptstadt des gleichnamigen muslimischen Fuerstentums unter der Herrschaft eines Nawab, der sich bei der Teilung British-Indiens fuer den Beitritt zu Pakistan entschied. Indien erkannte seine Entscheidung jedoch nicht an, da die Hindus die Mehrheit der Bevoelkerung stellten in dieser Gegend. In einer Volksabstimmung 1948 antschied das Volk fuer den Beitritt zu Indien.

Der Zug hielt und wir fragten unsere Nachbarn, die auf dem Weg zum Somnath Tempel in Dwarka waren um dort Mahashivratri die heilige Nacht des Shiva zu feiern, und sie erklaerten uns es sei nocht nicht Junagadh... Aslo mussten wir uns noch gedulden, wieder eingenickt wurden wir geweckt Junagadh sagte ein aelterer Herr der zuvor unserer Frage gelauscht hatte... wir packten unsere Sachen und stiegen aus. Der Steg an dem unser Zug hielt war voll mit Menschen. Einige Schliefen auf dem Boden, ganze Familien sassen im Kreis, ein paar Bidi rauchende Sadhus begruessten uns mit Hari Om ... es war kurz nach vier Uhr morgens, es war noch dunkel und draussen auf dem bahnhofsplatz bot sich uns dasselbe Bild ueberall waren Menschen. Seit drei Tagen findet hier in Junagadh naemlich die Mahashivratri Mela statt. Eines der groessten und bedeutesten Jahresfeste fuer die Shivaanhaenger. Am Gate warteten bereits unzaehlige Rikshawallahs auf uns, doch ein paar junge Sadhus hatten uns zu einem Chaii eingeladen. "Chillum, Chaii, Chapati!!!" ... no problem... we pay ... Sadhulife very good life ... only chillum, chaii, chappati!!! " hatte uns Raj Giri, zwischen 25 und 30 Jahre alt, in gutem Englisch und mit freundlichem Ton erklaert.

Raj Giri und seine Begleiter waren, wie viele andere Sadhus aus ganz Indien, nach Junagadh gekommen um hier an der Mahashivratri Mela teizunehmen. Die Mela dauert rund fuenf Tage und endet jeweils am 13. Nacht / 14. Tag des Monats Phalguna des Hindukalenders. Sie kamen aus Haridwar und waren fast drei Tage unterwegs. Sadhus und Sadhvis meist in orangefarbenen Kleider unterwegs duerfen in der indischen Eisenbahn kostenlos mitfahren. Als Sadhus, bzw. Sadhvis werden in Indien Menschen bezeichnet, die der Welt entsagen um ihr Leben asketischen und spirituellen Uebungen -Lebensweise - zu widmen. Yogis, Wandermoenche, Gaukler, Scharlatane, Heilige ... werden Sadhus oder Babas genannt. Manchmal werden auch Bettler, die sich wie Sadhus kleiden faelschlicherweise als Babas wahrgenommen. Oft leben die Sadhus in ashrams und in Tempelanlagen oder ziehen als Wanderasketen bettelnd im ganzen Land herum von einem Pilgerort zum anderen. Manche von ihnen sind in verschiedenen Moenchsorden ordiniert, andere sind allein. In Indien gibt es eine unueberschaubare Zahl von Orden und religioesen Bewegungen. Allgemein kann aber von drei grossen Hauptgruppen gesprochen werden, den Shaivas (Anhaenger Shivas), Vaishnavas (Anhaenger Vishnus) und den Shaktas (Anhaenger des Shakti/Devi Kults). Jede dieser Hauptstroemungen zaehlt eine Vielzahl von Untergruppen.

Das Wort Sadhu wird oft mit "good man" bzw. "good woman" uebersetzt. Es leitet sich von der Sanskritwurzel sadh ab, die soviel bedeutet wie "reach one's goal" oder "gain power over". Auch das Wort sadhana ("spiritual practices") leitet sich von der selben Wurzel ab. Und Sadhana ist was viele Sadhus machen - sie praktizieren Yogauebungen, kontrollieren ihren Atem, sie ziehen sich zurueck in Hoehlen um zu meditieren und zu fasten ... usw.

Die meisten der Sadhus sind Orden, den sogenannten Akharas organisisert, die sich seit dem 12Jh. in Nordindien herausgebildet haben. Jedes Jahr versammeln sich mehrere hundert Naga Babas (von Naga = Schlange) der Juna Akhara in Junagadh um Mahashivrarti, die heilige Nacht zu Ehren Shivas gemeinsam zu feiern. Die Nagas sind meist nackt oder nur mit einem Lendentuch bekleidet und ihre Haut wird mit heiliger Asche beschmiert. Wo immer sich ein Naga Baba niederlaesst wird ein trishul, ein Dreizack-Stock in die Erde gesteckt und ein dhooni, ein Feuerplatz installiert, wo die Sadhus verschiedene Rituale vollziehen und ihr Essen zubereiten. Die Juna Akhara auch Bhairon Akhara genannt, wurde 1113 n. Chr. gegründet. Die Naga Babas dieser Akhara standen an der Frontlinie des indischen Widerstands gegen die verschiedenen islamischen Invasoren im Mittelalter. Die Juna Akhara war zudem in vielen Kämpfen gegen die Engländer während der 200-jährigen Kolonialherrschaft vestrickt. Die Sadhus dieser Gruppe verehren Dattatreya als ihren Hauptgottheit. Ihre Hauptschrift ist die Avadhut Gita, die Dattatreya zugeschrieben wird. Die Juna Akhada hat die weitaus größte Zahl an Naga Sadhus. Zudem zaehlt die Akhara ca. 1000 Avadhunis (weibliche Asketen) gibt. Nach indischen Zeitungsberichten gehören der Juna Akhada auch ca. 200 westliche Naga Sadhus an.

Die Naga Babas der shivaitischen Tradition - ganz im Gegensatz zu den Vaishnava-Sadhus - rauchen oft Ganja (Cannabis) oder Charras (Haschisch). Das Rauchen gilt als der Meditation förderlich, wenn es in mit einer spirituellen Absicht geschieht. So hilft es dem Sadhu einen inneren Abstand von der Welt zu gewinnen. Die Vaishnavas lehnen eine solche Praxis jedoch strikt ab, da sie als unrein gilt.

In Junagadh war schon seit Tagen Feststimmung. Tausende von Menschen sind aus ganz Gujarat angereist um hier den heiligen Maennern zu begegnen, sich von ihnen segnen oder von Krankheiten heilen zu lassen, an ihren dhoonis zu rauchen oder sie um Rat zu fragen. Hunderte von Naga Babas waren aus ganz Indien angereist und haben sich entlang des Pilgerweges der zum heiligen Berg Girnar fuehrt niedergelassen. Neben der Khumb Mela ist dies der groesste Anlass der Naga Babas waehrend des Jahres. Die Strasse war gesaeummt von bunten Zelten, die Feuer der dhoonis qualmten und der Duft von Charras lag in der Luft. Unter jedem Zelt sass ein alter Baba mit seinem Gefolge bzw. Schueler am Feuer. Es wurde geraucht, meditiert, rezitiert und diskutiert. Kaum wurden wir von einem Baba eingeladen uns an seinem Feuer niederzulassen, hatte uns Raj Giri, den wir frueh am Morgen am Bahnhofkennegelnrt hatten, erblickt und zu sich gewunken. So liessen wir uns am Feuer seines Gurus (Lehrer) nieder. Wir wurden herzlich empfangen und mit Fruechten und Nuessen beschenkt.

Raj Giri erzaehlte uns, dass am heutigen Tag in ganz Indien Millionen von Hindus aller Traditionen die grosse Nacht des Shivas, Mahashivratri feiern werden. Viele von ihnen werden den ganzen Tag fasten und die ganze Nacht beten, rezitieren, bhajans und khirtans (heilige Lieder) singen. Es seien vor allem die Frauen die fasten und Segen für ihre Ehemänner und Familie erbitten. Wer nicht an einer Pilgerfahrt teilnehmen kann, besucht den nächsten Tempel oder zelebriert die Anbetung zuhause. Gläubige übergießen rituell ein lingam (Phallussymbol, der Shiva repraesentiert) mit Wasser, Milch, Joghurt, Butter und Honig und schmücken ihn mit den Blättern eines heiligen Baumes namens Bel. Aehnliche Rituale finden in allen Shivatempeln im ganzen Lande statt. Waehrend der ganzen Nacht werden die lingams in den Tempeln von den pujaris (Priester) mit den oben erwaehnten Zutaten gewaschen bzw. gebadet. Und Glaeubige rezitieren das Mantra "om nama shivaya... om nama shivaya..."

Der Guru von Raj Giri, ein Naga mit langen Dreadlocks namens Maharaj Giri, erzaehlte uns, waehrend er immer wieder an seinem Chillum (Tonpfeife in der Charras geraucht wird) zog und Rauch aus der Nase und dem Mund blies, von den verschiedenen Legenden die es ueber die heilige Nacht Shivas gibt. Gemaess der populaersten soll Shiva in dieser Nacht den tandava-Tanz vollzogen haben den "the dance of the primal creation, preservation and destruction"... Shiva soll als natraj, der "König des Tanzes" den „kosmischen Tanz“ vollzogen haben, indem er auf dem 'Dämon der Unwissenheit', Apasmara, tanzend, die Unwissenheit und das Universum zerstoert und wieder neu erschafft... Einer anderen zufolge soll er und seine Gemahlin Parvati in dieser Nacht geheiratet haben...

Am Abend versammelten sich die Pilger entlang der Pilgerstrasse auf der eine Prozession der Naga Babas stattfand. Zu Beginn des Umzugs wurden die drei Meter langen Fahnen der Juna Akhara getragen und dann folgten die verschiedenen Gurus (hohen Lehrer), meist waren sie prunkvoll beschmueckt sitzend auf dem Dach eines Jeeps. Die Pilger verbeugten sich wenn der Guru an ihnen vorbei zog. Danach folgten die rund 300-500 nackten und mit Asche beschmierten Naga Babas. Am Ende des Anzugs zogen die Naga Babas in das Innere des Dattatreya Tempels, wo sie sich im Tempelteich badeten. Die Prozession endete gegen 1.30 Uhr morgens. Muede vom langen und anstrengenden Tag machten wir uns auf den Weg Richtung Stadt, gemeinsam mit tausenden von Pilgern... Zwei Tage spaeter machten wir uns auf den Weg den Dattatreya Tempel auf dem Berge Girnar. Rund 10'000 Treppen fuehren ueber zwei Bergspitzen zum dritten auf dem der Tempel steht. Der anstrengende Weg fuehrte uns vorbei an einer Reihe von alten wunderschoenen Jaina-Tempeln und anderen Hindutempeln. Affen und hunderte von Pilgern aus agnz Indien begleiteten uns auf unserem Weg durch die Berge und Tempel.

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